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Das Leben ist mein Triathlon

Das Leben ist mein Triathlon

Das Leben ist mein Triathlon

Was für ein Sommer: Meine Erinnerung zieren Sportevents der Superlative und emotionsgeladene Olympische Spiele. Ich feierte Zusammenkünfte mit Menschen, die mir am Herzen liegen und damit Feste, welche wir vor wenigen Jahren noch sehnlichst vermissten. Gleichzeitig vernehme ich das subkutane Gefühl, dass dieser menschengemachte Klimawandel doch so langsam ernst macht. Und während alldem philosophieren bei Lanz und Precht drei Millionäre darüber, wie wir unsere Kinder wieder hungrig bekommen. Ein Versuch der Einordnung.

Längst passé sind jene Zeiten, in denen ich Menschen verschmähte, die nicht regelmäßig das Feuilleton einer allseits bekannten Wochenzeitung studieren, Späßchen. Und dennoch wird dem findigen Lesenden auffallen, dass die einleitende Zeile, ja die Inversion, Grüße an meinen Deutschlehrer, einer renommierten Kolumne einer Ex-Profitennisspielerin entspringt. „Das Leben ist mein Triathlon“ empfand ich als durchaus passend, um der Ironie, ja vielmehr der emotionalen Achterbahnfahrt der letzten Monate Ausdruck zu verleihen.

Nun hatte ich in einem vergangenen Blog bereits erörtert, dass seit meinem Saisoneinstieg vieles nicht mehr ganz so rund lief, wie ich es mir in meinen Planungen eingangs ausmalte. An dieser Konstellation sollte sich zu meiner bitteren Enttäuschung auch in den Folgewochen wenig ändern. Sportlich gesehen muss ich die Ergebnisse des Sommers als herbe Niederlage verbuchen. Und wenngleich die gefühlige Auseinandersetzung hiermit keineswegs einfach war, möchte ich euch, schließlich gibt es ja Instagram, eine Aneinanderreihung von Lehren und Rechtfertigungen jedweder Art ersparen. Wir alle scheitern früher oder später. Alles eine Frage der Perspektive.

"Das Leben ist mein Triathlon." | Foto: Simon Gehr

Mein natürlicher Habitus, die Flucht nach vorne: Hier im spanischen Girona verlebte ich auch im vergangenen Jahr ein Scheitern. Vor genau einem Jahr wurde ich hier schwer krank und musste derweil Abschied von Träumen nehmen. Auch jenen Sommer über hatte ich mir sprichwörtlich den Arsch aufgerissen, hatte unentwegt Höhentrainingslager absolviert und Wettkämpfe bestritten. Dabei ist es ohne Zweifel ein immenses Privileg, einer Sache so ergeben zu sein, Leidenschaft zu verspüren und Emotionen zu teilen. Ein Umstand, der mitnichten allen Heranwachsenden anheim fällt, und damit ein Fakt, den Toni Kroos in seinen schwammigen Ausführungen im ZDF-Podcast stiefmütterlich behandelt. Lanz, Precht und Kroos missachten die Kausalität aus den politisch gemachten Krisen der Neuzeit und der empfundenen Trägheit des Nachwuchses. Die großen Fragen des Jungsporns, welche deutsche Wirtschaftslenker rein auf die Auswahl der späteren Berufstätigkeit beschränken, werden bagatellisiert. Und mit ihnen gänzlich ausgeblendet, dass eine Mehrheit der deutschen Elternschaft Tag für Tag, Woche für Woche darum kämpft, ihre Sprösslinge satt ins Bett zu schicken.

Ich für meinen Teil muss der attestierten Faulheit in allen Facetten widersprechen, nehme ich doch einen beinahe toxischen Selbstoptimierungszwang, wenn auch nur, Achtung Unwort, innerhalb meiner Blase wahr. Man kommt jedoch nicht umhin, auch die Gefahren einer solchen Abhängigkeit, ja man muss sie als solche bezeichnen, anzusprechen. Der Hang ins Extreme kommt in ganz unterschiedlichen Ausprägungen daher. Publizierte der Großmeister noch vor wenigen Jahren, sich vor den Spielen in China einer enthaltsamen Reis und Obst Diät verschrieben zu haben, machen heute Athleten von sich reden, die gut und gerne 42 Pizzen während eines dreiwöchigen Höhentrainingslagers verspachteln.

incylence blog jannik schaufler triathlonsocken laufsocken Im Würgegriff der Extreme. | Foto: Simon Gehr

Nun sind wir uns (hoffentlich) alle darüber im Klaren, dass wir für die Dauer unserer sportlichen Profikarriere (hoffentlich) reinen Gewissens Schindluder an unserem Körper betreiben. Nicht abwegig daher natürliche Schutzmechanismen des Körpers, sei es ein leichter Infekt im Reisetrubel oder aber Stressreaktionen, die heuer, im Nachgang der Sommerspielen in Paris wieder die Runde machen. Verletzungen am Knochen gelten gemeinhin als das Indiz schlechthin, dass man es zu weit getrieben hat. Bei anderen hingegen stellt sich erst dann Genugtuung ein. Mein Trainer beendete seine Laufbahn kürzlich ohne eine solche Fraktur. Da war er wohl nie wirklich am Limit.

Nein, wenn solchen Gedankenmustern Einzug gewährt wird, wenn in Folge einer Verletzung alternativ zum Lauftraining das Radvolumen verdreifacht oder sprunghaft und gleichwohl unüberlegt Entscheidungen mit Tragweite getroffen werden, Hals über Kopf die Trainingsgruppe verlassen oder jegliches Versagen auf den Lebensmittelpunkt zurückgeführt wird, dann besteht berechtigter Grund zur Sorge. Für mich gehören Borderline und Triathlon genauso zusammen wie Rennräder und Kaffee. Doch wohingegen letzteres Paar auf den schlichten gemeinsamen Nenner Konsum, Nerdtum und Selbstdarstellung zurückzuführen ist, scheint die meinige These zunächst undurchsichtig und wird doch bei genauerer Überlegung Zuspruch finden.

incylence blog jannik schaufler triathlonsocken laufsocken Reflektieren und trainieren. | Foto: Simon Gehr

Versteht mich nicht falsch: Natürlich muss man in einer so komplexen Sportart eine gewisse Besessenheit an den Tag legen. Triathlon atmen, schließlich scheinen die Verbesserungspotentiale in den einzelnen Disziplinen beinahe unendlich. Und doch gilt es, Identität und Leistung zu separieren. Ein Leben in Selbstkritik scheint unerlässlich und ist doch nur temporär vernünftig. Denn „am Ende ist es eben auch nur Sport“, beschwichtigte meine Mama jüngst, als ich ihr nach meinem letzten Rennen in Italien von meinen Zweifeln und Sorgen berichtete. Natürlich weiß sie um den derzeitigen Stellenwert des Ausdauersportes in meinem Leben. Doch konsumiert sie eben auch Nachrichten, streitet sich nicht selten mit Schulämtern und kümmert sich liebevoll um Geflüchtete.

Ich wiederum habe diesen Sommer vermehrt Zeit mit Menschen verbracht, denen meine Resultate schlicht egal sind und die damit in starkem Kontrast zu meinem Alltag stehen. Weil der sportliche Wettbewerb aber per se den Vergleich bedingt und dieses Charakteristikum durch die sozialen Medien enorm komprimiert wird, kommt man zuhauf nicht umhin, missgünstigen Empfindungen nachzugeben. Dabei lohnt, wie immer, der Blick auf Gemeinsamkeiten: Wir alle sind in der privilegierten Situation, einer Passion nachzugehen, einem Wunschprojekt verschrieben zu sein und dessen Gelingen auf unser persönliches Fortkommen zu projizieren. Wir sind hungrig im Sinne der Millionäre. Doch Mensch, das sind wir eben auch.

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