Alles neu?
Herzlich Willkommen im neuen Jahr! Schön, dass ihr angekommen seid, macht es euch bitte auf gar keinen Fall bequem und verdaut bloß nicht zu lange an den unzähligen Christstollen und Lebkuchen herum, die ihr euch in den letzten Wochen ohne große Reue genehmigt habt, denn ab jetzt wird alles anders.
Nachdem wir uns in der Adventszeit die Plätzchen schmecken, am Weihnachtsabend die Seele baumeln und an Silvester die Korken haben knallen lassen, ist es jetzt an der Zeit für Disziplin. Denn mit dem Jahreswechsel sind wir wieder einmal zu besseren Menschen geworden. Guten Vorsätzen sei Dank!
Seltene Ruhe in öffentlichen Schwimmbädern zu Beginn eines Jahres.
Spaß beiseite: Natürlich ist nach wie vor das Allermeiste beim Alten geblieben. Mit der Veränderung eines Datums tritt – so enttäuschend das vielleicht für manche Jahr für Jahr sein mag – nicht automatisch eine Veränderung von Routinen und Gewohnheiten ein. Aber warum machen wir uns dann trotzdem so gerne gute – und oft leider auch immer wieder dieselben – Vorsätze, wenn wir an Silvester in das neue Jahr starten?
Während sich die 23 hinter der 20 aktuell für die meisten vermutlich noch so ungewohnt anfühlt wie ein frisches Paar Schuhe, das erst noch ein paar Meter eingelaufen werden muss, sind wir gerade in den ersten Tagen des neuen Jahres voller Tatendrang und Optimismus. Ganz besonders, wenn es um Vorhaben in den Bereichen Sport und gesunder Lebensstil geht.
Wer hat sich nicht in der ersten Januarwoche schon einmal im Schwimmbad durch ein vor sportlichem Eifer geradezu überschäumendem Becken gekämpft, im Fitnessstudio einen Quadratmeter mit vier anderen geteilt oder die sonst so einsame Laufstrecke vor lauter wuselnden Beinen kaum noch wiedererkannt? Wer ist nicht gerade in den ersten Tagen des Jahres besonders konsequent und gewissenhaft, was die Umsetzung des eigenen Trainingsplans oder der regelmäßigen Sportroutine betrifft? In den Top-10 der meistgewählten Vorsätze unter den Deutschen rangieren laut Statista nicht ganz überraschend vornehmlich Dinge wie „gesündere Ernährung“, „mehr Sport und Bewegung“ oder „abnehmen“. Warum sind wir so?
Philipp Pflieger: "Das Leben ist ein Abenteuer und die Kunst ist es neugierig zu bleiben."
Eigentlich wissen wir ganz genau, wo unsere Schwachpunkte liegen und da kommt ein Neuanfang, den der Beginn eines Jahres nun mal in vielerlei Hinsicht markiert, geradezu gelegen, um Veränderungen und Verbesserungen auf diesen „Nullpunkt“ hin zu verschieben, aber auch um bestimmte Vorhaben genau an diesem Datum in Angriff zu nehmen. „Ab dem 1.1. mache ich das besser“ klingt in unseren Ohren sinnvoller als „ab dem 17.8. mache ich das besser“. Obwohl das an der Herausforderung, der wir uns stellen, rein gar nichts ändert.
So weit so schlecht. Erschwerend kommt hinzu, dass unsere Anfangseuphorie schnell Ernüchterung und Resignation weicht. Warum entpuppen wir uns alle oft schon bereits gegen Ende Januar als wahnsinnig inkonsequent und nachlässig? Sind Vorsätze vollkommener Blödsinn, weil wir alle unfähig sind, durchzuhalten und sie meistens ohnehin sehr schnell über Bord werfen müssen?
Die Antwort lautet ganz klar: Nein. Denn an sich ergibt es ja nur Sinn, schlechte Angewohnheiten und Eigenschaften zu erkennen und das neu beginnende Jahr zum Anlass zu nehmen, daran etwas ändern zu wollen. Auch wenn das theoretisch auch zu jedem anderen Zeitpunkt möglich wäre. Und gerade wenn es darum geht, eine sportliche Herausforderung anzunehmen, auf einen bestimmten Wettkampf zu trainieren oder sich einfach nur das Ziel zu setzen, das erste Mal einen Kilometer am Stück zu laufen, ist ein feststehender Startpunkt, der darüber hinaus sogar so etwas wie gesellschaftliche Anerkennung besitzt, rein aus psychologischer Sicht vollkommen legitim.
Ein gesunder und sportlicher Lifestyle gehört zu den beliebtesten Vorsätzen.
Der Haken an der Sache? Das Ende eines Kreises, den wir um die Sonne gedreht haben, als einzige Motivation zu nehmen, reicht in den allermeisten Fällen nicht aus, um das Vorhaben durchzuziehen. Gibt es nicht noch irgendeinen anderen guten Grund, verläuft es schnell im Sand und das Ziel schwindet langsam am Horizont, wird irgendwann verworfen oder kurzerhand auf das nächste Jahr verschoben.
Die Feststellung, dass doch alles gar nicht so einfach ist und wir uns überwinden müssen, wiegt schwer, wenn der Zauber des neuen Jahres allmählich verblasst: Die neuen Schuhe sind längst eingelatscht, der Alltagstrott und damit die alten Routinen haben uns wieder fest im Griff. Dann kann nur helfen, wirklich Lust auf das zu haben, was wir anders machen wollen. Ohne ein Ziel vor Augen, das uns anspornt und ohne Freude an dem, was wir uns vorgenommen haben, wird es früher oder später wahnsinnig schwierig.
Viele Vorsätze scheitern in der Anfangszeit des Jahres auch daran, dass wir sehr engstirnig an die Sache herangehen und nur das Eintreffen von Ereignis A (Vorsatz eingehalten, ich bin gut) oder von Ereignis B (Vorsatz nicht eingehalten, ich bin schlecht) in Betracht ziehen. Dabei ist das Problem viel weniger, ein paarmal nachzugeben. Wir haben in Momenten, in denen wir Ausnahmen machen, sofort ein schlechtes Gewissen anstelle das große Ganze zu betrachten. Dabei ist es vollkommen okay, zuzulangen, wenn die Kollegin unschlagbar leckeren Kuchen gebacken hat, auch wenn man sich sonst sehr um gesunde Ernährung bemüht. Genau so wenig haben wir versagt, wenn wir das Lauftraining an Tagen skippen, an denen wir ansonsten viel zu viel um die Ohren haben.
Das Ziel fest im Blick: Gustav Iden (links) und Kristian Blummenfelt (rechts).
Sind Vorsätze nur ein Eupehmismus für „ich setze mich Zwängen aus“ ist fraglich, ob wir nicht irgendwann entnervt aufgeben. Sind sie aber ein anderes Wort für „ich habe mir ein Ziel gesetzt, auf das ich stolz bin, wenn ich es erreicht habe“, wird daraus auf einmal ein Weg, an dem wir uns einer Sache nähern, auf die wir uns freuen und von der uns auch kleine Rückschläge noch nicht abbringen. Zwischenetappen können dabei genauso helfen wie kleine Belohnungen. Ein neues Radtrikot, ein Offday an dem man bewusst die Füße hochlegt oder auch einfach nur schamloses Eigenlob sorgen für Zufriedenheit anstelle von Verbissenheit.
Wir halten also fest: Wir müssen auch irgendwo Bock auf das ganze Unterfangen oder zumindest einen guten Grund dafür haben. Und da ist es egal, ob der lautet, im Sommer eine Langdistanz zu finishen oder einfach nur in den Hochzeitsanzug zu passen. Es hilft außerdem, das Vorhaben nicht gleich bei einmaligen „Verstößen“ in Frage zu stellen, sondern zuzulassen, dass wir nicht perfekt sind und Routinen erst einmal die Zeit geben, um zu solchen werden zu können. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und die Änderung solcher Gewohnheiten fordert zu Beginn deutlich mehr Energie und Willenskraft, als wenn sich Routinen irgendwann verfestigt haben und geradezu automatisch ablaufen.
Ein ganz besonders großer Antreiber kann es übrigens sein, Vorsätze nicht allein, sondern gemeinsam zu anzugehen. Hat man einen „Leidensgenossen“ oder eine „Leidensgenossin“ an der Seite, der oder die so wie man selbst ab und zu die Zähne zusammenbeißen muss, gleichzeitig aber auch Ansporn ist und mit gutem Beispiel vorangeht, wenn man ein bisschen durchhängt, kann das Einhalten der Vorsätze auf einmal sehr viel leichter fallen. Ein partner in crime, mit dem man sich am Ende der Reise in die Arme fallen und über das zusammen Erreichte freuen kann, ist die mit Abstand beste Gelinggarantie für Neujahrsvorhaben. Gemeinsam kann dann sogar ein Longrun in der Kälte eines Sonntagmorgens im Januar Spaß machen. Worauf warten wir noch?
Toller Blog Post
Max le